- Mineraldüngung und Pflanzenschutzmittel
- Mineraldüngung und PflanzenschutzmittelNeben dem Pflanzenschutz und der Pflanzenzüchtung spielt die Düngung mit Mineraldünger eine entscheidende Rolle im modernen Landbau. Eine dauernde landwirtschaftliche Bodennutzung und regelmäßiger Anbau von Nutzpflanzen sind ohne Düngung nicht möglich. Ernte, Beweidung sowie Bodenerosion und Auswaschungen bewirken Nährstoffverluste, die durch Düngung ausgeglichen werden müssen, um gleich bleibend optimale Pflanzenerträge zu gewährleisten.Die Erfahrung, dass Düngung und Ertragsbildung eng miteinander verflochten sind, machte man schon frühzeitig. Über Jahrhunderte hinweg war es üblich, Mist und Gülle aus der Tierhaltung, organischen Dünger, möglichst gleichmäßig auf den Äckern auszubringen. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erkannte Justus von Liebig die komplexen Zusammenhänge beim Düngevorgang. Er konnte die Düngewirkung der verschiedensten Substrate auf ganz bestimmte Mineralstoffe zurückführen und stellte fest, dass der Pflanzenertrag von demjenigen Nährstoff begrenzt wird, der am geringsten im Boden enthalten ist. Eine Erkenntnis, die man heute als Liebig'sches Minimumgesetz bezeichnet. Doch erst die Entwicklung der mineralischen Handelsdünger aus natürlichen Ausgangsstoffen oder Nebenprodukten anderer Industrien sowie seit 1913 die Ammoniaksynthese aus Luftstickstoff brachten der Landwirtschaft die entscheidende Wende. Nun standen mineralische Pflanzennährstoffe in ausreichenden Mengen und zu günstigen Preisen zur Verfügung. Anorganische Dünger ermöglichen dem Landwirt, organische Nährstoffquellen zu ergänzen und schließlich zu ersetzen. In den meisten Industrieländern liefern sie heute mehr Nährstoffe als organische Quellen.Rasanter Anstieg des MineraldüngerverbrauchsSeit der Entwicklung der mineralischen Dünger hat ihr Einsatz weltweit zugenommen — eine der Ursachen für die heutigen hohen und weitgehend sicheren Erträge. 1995 wurden weltweit etwa 131 Millionen Tonnen Düngemittel verbraucht. Die zunehmende Verbreitung von Düngemitteln setzte in den 1950er-Jahren mit der Übernahme westlicher Anbaumethoden in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer ein. Parallel zu diesem Prozess erfolgte in den Industrieländern ein Übergang zu einer stärker exportorientierten landwirtschaftlichen Massenproduktion. Der weltweite Einsatz von Düngemitteln stieg an und erreichte schließlich mit dem Ende der 1980er-Jahre seinen Höhepunkt. Seitdem lässt sich wieder ein Rückgang verzeichnen, der vermutlich größtenteils auf den verminderten Verbrauch von Düngemitteln in der ehemaligen Sowjetunion aufgrund der Einstellung der massiven Subventionen für die landwirtschaftlichen Betriebe zurückzuführen ist.China hatte zu Beginn der 1990er-Jahre mit knapp 30 Millionen Tonnen den höchsten Düngemittelverbrauch der Erde, gefolgt von den USA, Indien, den GUS-Ländern und Frankreich. Diese Rangfolge sagt jedoch nur etwas über den absoluten Verbrauch an Mineraldüngern aus. Weitaus informativer sind dagegen Werte, die den Düngemitteleintrag in Abhängigkeit zur Fläche wiedergeben. Weltweit werden jährlich pro Hektar Getreidefläche durchschnittlich 96 Kilogramm Mineraldünger eingesetzt. In Bezug auf die Verwendung von Mineraldüngern halten die niederländischen Bauern und Gärtner den Rekord: Sie verbrauchen 730 Kilogramm Kunstdünger pro Hektar, mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Daraus ergibt sich ein jährlicher Gesamtverbrauch von mehr als 800 000 Tonnen allein für die Niederlande.Definition und Abgrenzung von MineraldüngernNach dem Düngemittelgesetz sind Düngemittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, unmittelbar oder mittelbar Nutzpflanzen zugeführt zu werden, um ihr Wachstum zu fördern, ihren Ertrag zu erhöhen oder die Qualität ihrer Frucht zu verbessern. In der landwirtschaftlichen Praxis lassen sich die Düngemittel nun in zwei Kategorien einteilen. Zum einen in die Wirtschaftsdünger, also tierische Ausscheidungen wie Stallmist, Gülle und Jauche, zum andern in die Handelsdünger, also solche Dünger, die nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb entstammen, sondern diesem durch Erwerb von außen zugeführt werden. Im Unterschied zu den Wirtschaftsdüngern mit einer Vielzahl von Nährstoffen in relativ geringen, nicht genau bekannten Mengen, enthalten die mineralischen Handelsdünger einige wenige Nährstoffe in relativ hohen und genau bekannten Konzentrationen. Mineraldünger bestehen im Allgemeinen aus einfachen chemischen Verbindungen, die entweder direkt aus Gesteinen gewonnen werden, aus der Verarbeitung von Mineralquellen stammen oder synthetisch hergestellt werden. In den meisten Ländern enthält die Mehrzahl der anorganischen Dünger Stickstoff, Phosphor und Kalium, zusammen mit Calcium und Magnesium.Mit zunehmendem Düngeraufwand je Flächeneinheit lassen sich die Roherträge der Feldfrüchte nur bis zu einem bestimmten Punkt steigern, da die Beziehung zwischen Düngeraufwand und Ausnutzung durch die Pflanze nicht linear ist. Jeder weitere Aufwand erhöht den Ertrag nur noch gering, sodass die Spanne zwischen Aufwand und Ertrag immer kleiner wird. Unter rein ökonomischen Gesichtspunkten sind Mehraufwendungen an Düngemitteln zwecks Ertragssteigerungen so lange gerechtfertigt, wie sie durch erzielten Mehrerlös übertroffen werden. Doch gerade hier offenbart sich die ökologische Problematik eines rein ökonomisch orientierten Düngereinsatzes. Der Verbrauch an mineralischen Düngemitteln lag in der Vergangenheit weit über dem Bedarf der Pflanzen. Infolgedessen ist es in vielen landwirtschaftlich genutzten Böden durch eine die Aufnahmefähigkeit der Pflanzen teilweise weit überschreitende Düngung zu einer Nährstoffanreicherung gekommen. Hierdurch ergeben sich Probleme, da es aufgrund biologischer, physikalischer und chemischer Gesetzmäßigkeiten unvermeidbar ist, dass mehr oder weniger große Nährstoffmengen aus Agrarökosystemen in benachbarte Ökosysteme entweichen.Belastung des GrundwassersAn erster Stelle der durch Mineraldüngung verursachten Umweltbelastungen steht die zunehmende Gefährdung des Grundwassers durch den Eintrag von Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor. Allein in Deutschland hat sich von 1950 bis 1990 die durchschnittliche Stickstoffausbringung pro Hektar Agrarland mehr als verfünffacht. Diese weit über die Aufnahmefähigkeit der Pflanzen hinausgehende intensive Verwendung von Stickstoffdüngern führte zu erheblichen Nitratüberschüssen im Boden, denn Nitratstickstoff als landwirtschaftlich bedeutsame Stickstoffquelle wird nicht wie andere Nährstoffe austauschbar an Bodenteilchen gebunden. Was Pflanzen oder Mikroorganismen also nicht sofort aufnehmen, verbleibt in dem mit löslichen Stoffen angereicherten Wasser im Boden (Bodenlösung), von wo Nitrat durch Sickerwasser in tiefere Bodenschichten und ins Grundwasser transportiert werden kann. In welchem Umfang dies geschieht, hängt zum Beispiel von der Menge und der Art des eingesetzten Düngers, der Bodenbeschaffenheit, der Anbaukultur, dem Wasserangebot und der Jahreszeit der Düngung ab. Rund 80 Prozent der Nitrateinträge in das Grundwasser stammen aus der Landwirtschaft, wobei zu beachten ist, dass hier neben der Mineraldüngung auch die organische Düngung eine große Rolle spielt.Nitratverseuchung des TrinkwassersDa in Deutschland das Trinkwasser zu 63 Prozent aus Grundwasser gewonnen wird, gefährdet die Nitratverseuchung die Trinkwasserversorgung erheblich. Erhöhte Nitratkonzentrationen im Trinkwasser gelten als gesundheitsgefährdend: Das Reduktionsprodukt Nitrit kann bei Säuglingen Cyanose (Blausucht) auslösen und steht im Verdacht, Krebs erregende Nitrosamine im Verdauungstrakt des Menschen zu bilden. Aus diesen Gründen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation einen Höchstwert von 45 Milligramm Nitrat pro Liter Trinkwasser. Nach der seit 1985 geltenden EU-Richtlinie über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch beträgt die höchstzulässige Konzentration 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Bis zu 20 Prozent der Grundwasservorkommen in den alten Bundesländern überschreiten jedoch den von der Europäischen Union festgelegten Grenzwert. Auch in den neuen Bundesländern werden über eine Million Menschen mit Wasser versorgt, das mehr als 40 Milligramm Nitrat pro Liter — dem in der DDR gültigen Grenzwert — enthält. Allein in Bayern wurden seit 1983 mindestens 160 Wassergewinnungsanlagen wegen überhöhter Nitratbelastung geschlossen. In Niedersachsen überschritt die Nitratkonzentration der Wasserproben zwischen 1989 und 1992 an 32,5 Prozent der staatlichen Grundwassermessstellen den EU-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter. Steigende Nitratkonzentrationen im tiefen Grundwasser werden ebenso aus verschiedenen Gegenden Frankreichs, der Niederlande und Großbritanniens gemeldet.Die mit Nitrat angereicherten Grundwasserleiter sind für einen längeren Zeitraum als Trinkwasserquelle nur sehr bedingt geeignet. Trotz eingeschränkter Düngergaben ist aufgrund der zeitlichen Verzögerung zwischen dem Nitrateintrag in den Boden und der Auswaschung ins Grundwasser mit einem weiteren Ansteigen der Nitratkonzentrationen im Grundwasser zu rechnen. Das Nitrat wieder aus dem Grundwasser zu entfernen, gestaltet sich als äußerst kostspielige und schwierige Angelegenheit. Eine weitere Schadstoffbelastung des Grundwassers infolge der Mineraldüngung ergibt sich aus den Düngerbegleitstoffen wie Chloriden und Sulfaten, die das Wasser bis zur Unbrauchbarkeit als Trinkwasser aufhärten können.Belastung der OberflächengewässerAn zweiter Stelle der Umweltbelastungen durch die Mineraldüngung steht die Beeinträchtigung der Oberflächengewässer. Von den aus dem Bereich der Landwirtschaft in die Oberflächengewässer gelangenden Stoffen haben Phosphor und Stickstoff, die Hauptnährstoffe der Pflanzen, und ihre Verbindungen hinsichtlich ihrer Menge, ihres flächenhaften Vorkommens und ihrer Auswirkungen die weitaus größte Bedeutung. Der Transport der Nährstoffe aus den Böden in die Oberflächengewässer kann durch Auswaschung oder durch Abschwemmung geschehen. Bei der Abschwemmung, dem Transport gelöster oder ungelöster Nährstoffe durch oberflächlich abfließendes Wasser, gelangt eine wesentlich höhere Nährstofffracht in die Oberflächengewässer als bei der Auswaschung über das Bodenwasser. Der Grund hierfür liegt in der geringen Löslichkeit der mineralischen Phosphorverbindungen. Bei der Abschwemmung, die häufig auch mit Bodenerosion einhergeht, finden umfangreiche Nährstoffverlagerungen in die Oberflächengewässer statt. Die ohnehin schon große Nährstoffbelastung der Gewässer wird somit durch die nährstoffreichen Abschwemmungen weiter erhöht. Die Folge dieser Erhöhung ist eine Steigerung des Planktonwachstums. Die sich daraus ergebende Überproduktion an organischer Substanz führt zu einem überhöhten Sauerstoffverbrauch und Faulschlammbildung. Dies hat schließlich eine Verschlechterung der Wasserqualität in Seen und Küstengewässern zur Folge und kann die Existenz von Pflanzen und Tieren gefährden. Eine solche Eutrophierung des Gewässers kann aufgrund akuten Sauerstoffmangels im Extremfall sogar zum Umkippen, zum »Sterben« des Gewässers führen. Schätzungen zufolge stammen rund 46 Prozent der Nitrateinträge in Oberflächenwasser aus der Landwirtschaft. Dabei ist dieser Wert im Wesentlichen auf die Verwendung von Mineral- und organischen Düngern zurückzuführen.Beeinträchtigung der Atmosphäre durch StickstoffdüngungBei der mikrobiellen Umsetzung von Nitrat im Boden (Denitrifikation) werden global etwa 90 Prozent des gesamten in die Atmosphäre gelangenden Distickstoffoxids (N2O, Lachgas) gebildet. Das Gas entsteht als Zwischenprodukt bei der unter anaeroben Verhältnissen durch Mikroorganismen vollzogenen Reduktion von Nitrat zu elementarem Stickstoff. Durch den Umstand, dass Distickstoffoxid unter atmosphärischen Bedingungen eine sehr stabile Verbindung darstellt, beträgt die Verweildauer in der Atmosphäre etwa 150 Jahre. Distickstoffoxid wird unter den in der Troposphäre herrschenden Bedingungen nicht zersetzt und gelangt deshalb bis in die darüber liegende Stratosphäre. Dort findet dann eine photolytische Zersetzung in Stickstoffatome und Stickstoffmonoxid (NO) statt. Das Stickstoffmonoxid kann seinerseits wiederum die Zersetzung des sich in der Stratosphäre befindlichen Ozons verstärken. Ungefähr 10 Prozent der gesamten terrestrischen Distickstoffoxid-Emission stammen aus gedüngter landwirtschaftlicher Anbaufläche.Entwicklung des PflanzenschutzesUnter den Faktoren, die die Entwicklung der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert entscheidend prägten und zur Erklärung der enormen Steigerung der Flächenerträge und der Arbeitsproduktivität angeführt werden können, kommt dem chemischen Pflanzenschutz besondere Bedeutung zu. Der Kampf der Menschen gegen die Schädlinge der Nutzpflanzen und -tiere ist so alt wie Ackerbau und Viehzucht selbst. Jahrhundertelang wurde er fast ausschließlich mit mechanischen Mitteln geführt, so zum Beispiel durch Absammeln der Schädlinge oder durch Jäten der Unkräuter. Obwohl chemische Mittel zum Schutz von Kulturpflanzen bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts angewendet wurden, führte die Schädlingsbekämpfung erst ab etwa 1939 mit der Entwicklung und dem Masseneinsatz chemischer Giftstoffe zur Vernichtung von Schädlingen aller Art zu einem gravierenden Umweltproblem. Heute erstreckt sich die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln nicht nur auf die oben angesprochenen Schutzmaßnahmen, sondern hat auch die Einsparung von kostenintensiven Arbeitskräften in der Landwirtschaft zur Folge.Welche Mengen von Pestiziden weltweit ausgebracht werden, ist nicht genau bekannt, da von zahlreichen Entwicklungsländern keine Angaben verfügbar sind. Das World Resources Institute in Washington (USA) kam schon vor 15 Jahren auf etwa 2,2 Millionen Tonnen. Der Inlandsabsatz der Bundesrepublik Deutschland beträgt heute bei Pflanzenschutzmitteln rund 34 000 Tonnen.Einteilung der chemischen PflanzenschutzmittelStreng genommen handelt es sich bei den »Pflanzenschutzmitteln« um Substanzen, die ausschließlich dem Schutz von Kulturpflanzen dienen und die folglich genauer »Kulturpflanzenschutzmittel« genannt werden müssten. Im internationalen Sprachgebrauch fasst man diese chemischen Schädlingsbekämpfungsmittel unter dem aus dem angelsächsischen Sprachraum stammenden Sammelbegriff Pestizide zusammen. Auch der Begriff Biozide wird häufig verwendet. Man kann nun die Pestizide entsprechend den Schadorganismen, gegen die die verschiedenen Substanzen wirken, in die nachfolgend aufgeführten Wirkungsgruppen einteilen. Man verwendet heute Herbizide gegen Unkräuter, Fungizide gegen Pilze, Insektizide gegen Insekten, Nematizide gegen Fadenwürmer, Akarizide gegen Spinnmilben, Molluskizide gegen Schnecken und Rodentizide gegen Nagetiere. Zu jeder dieser Wirkungsgruppen können chemisch recht unterschiedliche organische Substanzen gehören. Unter der Vielzahl von Pestiziden dominieren die Herbizide, Fungizide und Insektizide. Der Hauptanwendungsbereich von Herbiziden liegt im Ackerbau, vor allem im Getreide-, Rüben- und Maisanbau. Bereits heute werden auf 70 bis 80 Prozent der Getreideanbaufläche Herbizide eingesetzt. Der Erwerbsobstbau, der Wein- und Hopfenanbau sowie im Ackerbau die Weizen- und Kartoffelkulturen sind die Haupteinsatzgebiete der Fungizide. Der Einsatz von Insektiziden erfolgt in erster Linie in Obstanlagen sowie im Wein- und Hopfenanbau.Derzeit sind in der Europäischen Union über 600 Wirkstoffe zugelassen und etwa 20 verboten. Anders stellt sich die Situation in der Dritten Welt dar. Aktuellen Schätzungen zufolge wären etwa 75 Prozent der in der Dritten Welt gebräuchlichen Pestizide in den Vereinigten Staaten verboten. Viele in der Landwirtschaft der Dritten Welt verwendeten Chemikalien unterliegen in der Ersten Welt einem Benutzungsverbot; sie werden jedoch von amerikanischen und westeuropäischen Firmen für den Verkauf im Ausland hergestellt. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Insektizid DDT, das in den Industrieländern schon längst verboten ist, aber in den Entwicklungsländern nach wie vor in riesigen Mengen zum Einsatz kommt. Insgesamt gesehen erlangte die weltweite Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in den zurückliegenden 50 Jahren wachsende Bedeutung. Der weltweite Verbrauch von Pestiziden stieg allein zwischen 1970 und 1985 um mehr als 60 Prozent. Heute jedoch zeigt der Markt für Pflanzenschutzmittel deutliche Stagnationstendenzen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass der Gesamtabsatz in Zukunft kaum noch steigen wird.Schon 1962 machte die amerikanische Biologin Rachel Carson mit ihrem Buch »Der stumme Frühling« die Welt auf die Gefahren von Pestiziden aufmerksam: »Wir werden nicht nur mit einer gelegentlichen Dosis Gift zu tun haben, die aus Versehen in ein Nahrungsmittel gelangt ist, sondern mit einer durchgängigen und kontinuierlichen Vergiftung der gesamten menschlichen Umgebung.« Dass vom Einsatz der Pflanzenschutzmittel erhebliche Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen, dokumentiert die zunehmende Anzahl von Fällen mit schweren Pestizidvergiftungen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt die weltweite Zahl schwerer Pestizidvergiftungen auf jährlich 3 Millionen, wovon etwa 10 Prozent tödlich verlaufen. 99 Prozent der Unfälle entfallen auf die Entwicklungsländer, in denen etwa 20 Prozent aller Pestizide verbraucht werden.Belastung von Boden und Grundwasser durch PestizideDie Pflanzenschutzmittel gelangen entweder direkt in den Boden, indem sie von den behandelten Pflanzen abgewaschen werden, oder sie gelangen nach Aufnahme durch die Pflanzen zusammen mit den pflanzlichen Rückständen in den Boden. Das weitere Verhalten der Pestizide und ihr Einfluss auf die Bodenfunktionen hängen außer von ihrer Menge vor allem von ihrer Persistenz, das heißt ihrem Widerstand gegen Abbau oder Zerfall, ab. Während die Beeinträchtigung der Bodenmikroorganismen durch Pestizide relativ gering ist, ist die Bodenfauna dagegen stärker betroffen. Besondere Aufmerksamkeit gilt hier den schädlichen Wirkungen der Pestizide auf Regenwürmer, die wegen ihrer Bedeutung für die Humusbildung, Bodendurchmischung und -belüftung wichtigste Bodentiergruppe. Auch andere Bodentiere wie Springschwänze, Insektenlarven, Milben und Borstenwürmer werden durch in den Boden eindringende Pestizide erheblich geschädigt und können deshalb ihre wichtigen Aufgaben bei der Humusbildung nicht mehr erfüllen. Eine weitere Belastung des Bodens stellt der Schwermetalleintrag durch Pflanzenschutzmittel dar. Da einzelne Pestizide Schwermetalle enthalten, hat dies stellenweise zu irreversiblen Schwermetallanhäufungen im Boden geführt. Als Beispiel hierfür sind zahlreiche Weinberge und Hopfengärten anzuführen, die durch langjährige Kupferspritzungen gegen Mehltau so stark mit diesem Schwermetall belastet sind, dass dort andere Kulturpflanzen nicht mehr oder nur schwer gedeihen.Die Belastung des Grundwassers wird im Wesentlichen durch Wirkstoffe gegen Unkräuter (Herbizide) und gegen bodenlebende Fadenwürmer (Nematizide) verursacht. Glaubt man den Beteuerungen der Industrie, so entstehen die Einträge dieser Stoffe hauptsächlich durch Anwendungsfehler der Landwirte. Doch nach neuesten Untersuchungen kommt es auch bei sachgerechter Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu erheblichen Einträgen in das Grundwasser. So wurden laut Umweltbundesamt bei 40 Prozent der untersuchten Grundwasserstandorte sowie bei 34 Prozent des deutschen Trinkwassers der von der Europäischen Union festgelegte Grenzwert für Pflanzenschutzmittel (0,0001 mg/l) überschritten. Diese Pestizidbelastung stellt die Wasserwerke zunehmend vor nahezu unlösbare Probleme. Allein in den alten Bundesländern wenden die Wasserwerke jährlich 260 Millionen DM auf, um das Trinkwasser von Pestizidrückständen zu befreien. Ein Extrembeispiel für die Trinkwasserverseuchung durch Pestizide ist Thailand, wo DDT heute die gesamten Trinkwasservorräte des Landes bedroht.Anreicherung von Pestiziden in den NahrungskettenBei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln kommt es zu einer Anreicherung von Pestizidrückständen in den betroffenen Organismen und somit in den Nahrungsketten. Die in diesem Zusammenhang problematischsten Pflanzenschutzmittel sind die chlorierten Kohlenwasserstoffe, die aufgrund ihrer hohen Persistenz in der Nahrungskette von Lebewesen zu Lebewesen weitergegeben werden und sich immer mehr anhäufen. Am Ende der Nahrungskette steht dann häufig der Mensch. Die Anreicherung von chlorierten Kohlenwasserstoffen in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln gefährdet die Gesundheit des Menschen. Ein klassisches Beispiel für diese Problematik ist das DDT. Bei in den USA und in Schweden durchgeführten Untersuchungen wurden in der Milch stillender Mütter DDT-Werte festgestellt, die bis zu 70 Prozent über den amtlich in Nahrungsmitteln zugelassenen Höchstwerten lagen.Prof. Dr. Hans-Dieter HaasWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Massentierhaltung und industrielle LandwirtschaftGrundlegende Informationen finden Sie unter:Flüsse und SeenGrundwasser: Herkunft, Neubildung, BedeutungArnold, Adolf: Allgemeine Agrargeographie. Gotha u. a. 1997.Borcherdt, Christoph: Agrargeographie. Stuttgart 1996.Eckart, Karl: Agrargeographie Deutschlands. Agrarraum und Agrarwirtschaft Deutschlands im 20. Jahrhundert. Gotha u. a. 1998.Hahlbrock, Klaus: Kann unsere Erde die Menschen noch ernähren? Bevölkerungsexplosion, Umwelt, Gentechnik. 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